Zeug­nisse von Teilnehmenden

Zeug­nis von Man­fred Engeli

„Zu Beginn meiner Tätigkeit erlebte ich dann die freisetzende und verändernde Kraft des Glaubens an mir selbst: In einer Woche für Gebetsseelsorge erfuhr ich eine befreiende und tief greifende Veränderung meiner Person. Gott hat mich mit dem Geschenk der Freiheit der Kinder Gottes, dem Leben aus der Liebe des Vaters und der Hilfe des Heiligen Geistes so überrascht, das ich den Entschluss fasste, ihm mein ganzes Wissen und Können abzugeben; er sollte darüber verfügen können und mich durch seinen Geist leiten. Das eigene beglückende Erleben hat den Wunsch geweckt, anderen Menschen die gleiche Erfahrung zu ermöglichen. Es hat die weitere Entwicklung meiner therapeutischen Tätigkeit stark bestimmt und zudem zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Zusammenspiel von psychologischen Kenntnissen, psychotherapeutischen Vorgehensweisen und der Kraft des Glaubens geführt.“

Aus Manfred Engeli, Gottes Angebote – Final ausgerichtete Seelsorge, Neufeld Verlag, 2012 (Seite 13)


Zeug­nis von Rolf Sons

Überrascht von Gottes Massarbeit
Persönliche Erfahrungen in der Gebetsseelsorge

Dr. Rolf Sons

Artikel aus: Aufatmen, Herbst 2005, Seite 30-32 (www.aufatmen.ch)

Zu meinen Lieblingspersonen der Bibel zählt Elia. Besonders die Szene, wie er müde und ausgelaugt, enttäuscht und resigniert un­ter einem Ginsterbusch sitzt, hat es mir angetan. Obwohl Elia als ein durchaus erfolgreicher Mitarbeiter Gottes bezeichnet werden kann, ist er ausgelaugt und will seinen Dienst am liebsten quittie­ren. In dieser Situation bekommt er jedoch ziemlich unerwartet Hilfe. In der Gestalt eines Engels begegnet ihm der Herr, gibt ihm etwas zu essen und ermutigt ihnen seinen Weg weiter zu gehen. Elia erfährt Seelsorge am Seelsorger. Dass wir als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Gottes selber zutiefst seelsorge-bedürftig sind, ge­stehen wir uns kaum ein. Doch muss es nicht immer erst zu einer Krise wie bei Elia kommen, damit wir uns in die Seelsorge Gottes begeben. Im Folgenden möchte ich davon berichten, wie meine Frau und ich, zwar ziemlich unerwartet und doch innerlich darauf vorbe­reitet, die Seelsorge Gottes erfahren haben. In der sog. „Gebets­seelsorge" durften wir erleben, wie Gott sich um uns kümmerte.

Am Anfang stand die Sehnsucht

Als Pfarrer von zwei selbständigen und geistlich regen Kirchenge­meinden, eingespannt in eine Menge von Arbeit, mit wenigen freien Abenden spürte ich schon lange die Sehnsucht, Gott neu zu begeg­nen. Mein Wunsch war es, erfrischt zu werden vom Heiligen Geist und einfach mal wieder in der Gegenwart Gottes aufzuatmen und auf diese Weise neu Impulse für mein Leben als Christ und meine Arbeit zu bekommen. In dieser Sehnsucht stießen meine Frau und ich mehr oder weniger zufällig auf ein Prospekt der Christusbruderschaft Selbitz mit dem Angebot der „Gebetsseelsorge". Ausgeschrieben war dieses Angebot als eine 5-tägige Retraite mit. Gebetszeiten, persönlicher Seelsorge und Impulsreferaten. Eingeladen waren vor allem Pfarrerinnen und Pfarrer, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wir dachten, das könnte etwas für uns sein und so meldeten wir uns an. Noch war uns nicht genau klar, was uns erwarten sollte. Doch in der Hoffnung, dass diese Freizeit genau unseren Wunsch nach geistli­cher Erfrischung treffen könnte, machten wir uns auf den Weg.

Die Referate zielten weniger auf unseren Kopf, sondern auf unser Herz

Was uns zunächst überraschte, war das Verhältnis von Teilnehmern und Mitarbeitern. Wir waren 24 Teilnehmer und 16 Mitarbeiter. Was sollte ein solch hoher Personalaufwand? Etliche der Mitarbeiter ka­men aus dem „Offenen Abend Stuttgart", einer missionarischen Be­wegung in der schwäbischen Landeshauptstadt, von der wir schon viel Gutes gehört hatten. Andere Mitarbeiter, darunter auch einige Pfarrer und Pfarrerinnen kamen aus den Niederlanden und der Schweiz. Als Teilnehmer waren wir eine gemischte Gruppe aus ganz Deutschland, darunter Ehepaare und auch Singles. Die Atmosphäre war von einer großen Freiheit, aber auch Erwartungshaltung geprägt. Es sollte in diesen Tagen darum gehen, Gott zu begegnen.

Als Theologe war ich natürlich auf die Impulsreferate gespannt. „Was gäbe es Neues zu lernen und wie würden die Mitarbeiter wohl die Seelsorge definieren?" Meine Erwartungen wurden jedoch schnell in eine andere Richtung gelenkt. In den Referaten ging es weniger um die Theorie der Seelsorge, in der ich mich ja einigermaßen aus­zukennen glaubte, als um mein Herz. Es gab keine langen Bibelar­beiten oder theologische Abhandlungen. Vielmehr gezielte Impulse, die sich an die Mitte meiner Person richteten. Im Zentrum standen die Fragen nach der Vergebung und der inneren Heilung sowie um die Befreiung von Gebundenheiten. Alles war sehr schlicht. Nicht in­tellektueller Diskurs war angesagt, sondern sich von Gottes Wort treffen und Gottes Geist im Gewissen berühren lassen. Wo kam ich hier vor? Wo nehme ich meine Verletzungen und Gebundenheit wahr? Wo brauche ich Vergebung?

Verborgenes kommt an die Oberfläche

Auf die Impulsreferate folgten keine Diskussionen, sondern Zeiten der Stille. Jeder sollte dem nachspüren, wo er selber angesprochen war. Im persönlichen Umgang mit Gott sollten die Dinge bewegt werden. Das Erstaunliche war, dass in diesen Phasen der Schwei­gens und Hörens, des Betens und Nachsinnens verborgene Dinge an die Oberfläche meines Bewusstseins traten, die ich bisher bestenfalls ahnte, teilweise aber verdrängte. Noch nie hatte ich mit einem Menschen über diese Dinge gesprochen.

Die Tage waren gefüllt mit Zeiten der Stille, der Anbetung Gottes und wohldosierten Mengen des Wortes Gottes, das in unsere Leben hi­neingesprochen wurde. Nachdenklichkeit hielt bei mir Einzug. Sollte es nun wirklich dran sein, meine inneren Empfindungen und die Last meines Gewissens in diesen Tagen einem Menschen zu offen­baren? - „Meine Gebets- Seelsorgezeit sollte erst am letzten Tag statt­finden. Bis es soweit war, konnte ich kaum erwarten.

Dann war es soweit. Dann wieder die typische Pfarrerssorge. Wel­chem der Mitarbeiter würde ich mich öffnen? Sollte es der oder jener sein? Am liebsten würde ich sie hinterher nie mehr sehen. Die Lei­tung der Tagung ahnte wohl etwas von dieser meiner verborgenen Unsicherheit. Sie wählten für mich ein Pfarrer aus Holland sowie eine Pfarrerin aus der Schweiz aus. Es waren immer zwei Personen, zu denen man in die Seelsorge ging. Die Gefahr, dass ich ihnen im „Ländle" jemals wieder über den Weg lief, war also relativ gering. Während meiner „Gebetsseelsorge" beteten die ande­ren Teilnehmer, die gerade nicht in der Seelsorge waren, für unser Gespräch. Wer ein Wort für mich hatte, schrieb es auf.

Nun war ich also daran und durfte über das reden, was mir in der Stille andeutungsweise bewusst wurde und auch über das, wo es mir ganz klar war, dass ich Veränderung brauchte. Einen ganzen Nach­mittag sprachen wir, beteten wir und hörten auf Gott. Dabei hatte ich den starken Eindruck, dass der Herr selbst unser Gespräch lenkte. Alles schien Maßarbeit zu sein. Was er selbst durch seinen Geist in meinem Leben aufgedeckt hatte, kam jetzt zur Sprache. Das Schöne dabei war: der Herr deckt nicht nur auf. Er heilt auch und befreit. Es waren echt „selige" Stunden. Ich kann es hier in dürren Worten kaum beschreiben, was sich in dieser Seelsorgezeit erlebte. Doch hat Jesus selbst in diesen Stunden intensiv an meiner Seele gearbeitet, sie geheilt, gestärkt und befreit. Alles war durchzogen von Tränen der Buße, der Dankbarkeit und der Freude. Meine Frau machte in ihrer Gebetsseelsorge ganz ähnliche Erfahrungen. Im Austausch darüber wurde uns auch klar, dass es manches gab, das tief in un­sere Ehe hineinreichte. Am Ende der Seelsorge wurden uns Bibel­worte, ein Segen und die Salbung mitgegeben. Was der Herr uns geschenkt hatte, sollte in uns bewahrt werden.

Was war das Besondere dieser Gebetsseelsorge?

Das Besondere dieser Art Seelsorge war nicht das therapeutische Geschick meiner Seelsorger und auch nicht das psychologische Er­hellen der persönlichen Lebensgeschichte, sondern die Erfahrung, wie der Heilige Geist im eigenen Leben wirkt und es durchgreift. In der Begegnung mit dem Heiligen Gott kam es zur Selbsterkenntnis. Der Herr selbst deckte auf. Er heilte aber auch und verband die Wunden. Beides kommt im Wirken des Heiligen Geistes zusammen: aufdecken, reinigen, trösten. Meine Seelsorger erlebte ich dabei als sensible Gegenüber, die es in der Abhängigkeit vom Heiligen Geist wagten, mir zu raten, aber auch an mir zu handeln. So wurde Verge­bung ausgesprochen und die Befreiung von Bindungen deklariert.

Am Ende der Woche war es uns beiden klar, dass diese Art der Seelsorge genau das war, was wir brauchten. Gott hatte geklärt, was wir im Nebel nicht sehen konnten. Er hatte auf den Punkt gebracht, wo wir Sachverhalte unseres Lebens nur vermuteten.

Inzwischen haben wir eine weitere Gebetsseelsorge, speziell für Ehepaare besucht und im Sommer dürfen wir gemeinsam ein Wo­chenende für Mitarbeiter der Seelsorge besuchen. Wir freuen uns schon darauf. Die Gebetseelsorge ist für uns zu einem Weg der in­neren Erneuerung und Veränderung geworden, den wir weiter gehen wollen.

Das Gebet stand im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt dieser für mich neuen Seelsorgeform stand tatsächlich das Gebet. Bereits 6 Wochen vor dem Kurs hatte das Mitarbeiter­team für uns Teilnehmer intensiv gebetet. Im Gebet wurde der Boden „aufgeweicht". Alle Teilnehmer waren von Anfang an umbetet, und wir spürten das auch. In den Tagen selbst spielte ebenfalls das Gebet in seinen verschiedenen Formen eine gewichtige Rolle: Für­bitte, Lobpreis, Gebet aus dem Hören auf Gott. Die Seelsorge selbst vollzog sich in der Haltung des Gebets. Der Herr selber sollte das Entscheidende tun. Was der norwegische Bischof Öle Hallesby ein­mal treffend formulierte, nämlich dass Beten nichts anderes sei, als Jesus in unsere Not hereinzulassen, das vollzog sich buchstäblich an uns. Jesus kam herein.

Auf der theologischen Ebene habe ich gelernt, wie Gebet und Seel­sorge sich berühren und ineinander übergehen. Im Gebet vollzieht sich wie kaum an einer anderen Stelle eine heilsame Karthasis (Rei­nigung). Im Gebet darf ich aber auch erfahren, wie Gott an mir han­delt. Gebet ist ja nicht nur Ein-Weg-Kommunikation, sondern immer Gespräch. Wo ich selber in der offenen Haltung des Gebetes vor ihn trete, kann er bei mir einkehren und an mich verändern.

Im Anschluss an die Seelsorgewoche wurde weiter für uns Teilneh­mer gebetet. Sechs Wochen lang trugen die Mitarbeiter uns weiter auf dem Herzen.

Gebetsseelsorge als nachhaltige Seelsorge

Bei der Gebetsseelsorge handelt es sich nach unserem Eindruck um keine Kurzzeit- oder Oberflächenseelsorge. Vielmehr geht sie in die Tiefe und wirkt nachhaltig. Die Spuren der beiden Gebetsseelsorgen, die wir bisher besuchten, nehme ich noch heute wahr. Meine Selbst- und Fremdwahrnehmung wurde geschärft und mit mir selber kann ich versöhnter umgehen. Auch unsere Ehe bekam neu eine Tiefe und Echtheit, für die wir dankbar sind.

Da ich der festen Überzeugung bin, dass wir als Pfarrer- und Pfarre­rinnen das befreiende und heilende Handeln Gottes zuerst immer an uns selber erfahren müssen, um selbst wirksame, ja vollmächtige Seelsorge und Gemeindearbeit üben zu können, habe ich diesen etwas persönlichen Beitrag geschrieben. Er soll eine Anregung sein, sich selbst der Erfahrung einer Gebetsseelsorge auszusetzen. Mit einem Zitat meines Lehrer Manfred Seitz will ich daher schließen: „Man kann Subjekt der Seelsorge nur sein, wenn man zugleich Objekt der Seelsorge Jesu Christi ist.“ (vgl. „Seelsorge an denen, die Seelsorge üben“, in: Erneuerung der Gemeinde, Göttingen 1986).

Angaben zum Autor:

Dr. Rolf Sons, Jg. 1961, verheiratet, 5 Kinder im Alter zwischen 7 und 17 Jahren. Er ist Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Nach zehnjähriger Gemeinde­tätigkeit ist er nun Studienleiter am Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen. Gemeinsam mit seiner Frau Gabi ist er der Arbeit der Gebetsseelsorge eng verbunden.